Alle Welt redet von der Krise, einige verspüren sie schon am eigenen Leib. Wer macht solche Krisen? Wer ist an ihnen Schuld? Die Bundeskanzlerin weiß es: Die anderen. In ihrer Neujahrsansprache sagte sie: „Finanzielle Exzesse ohne soziales Verantwortungsbewußtsein, das Verlieren von Maß und Mitte mancher Banker und Manager – wahrlich nicht aller, aber mancher, das hat die Welt in diese Krise geführt. Die Welt hat über ihre Verhältnisse gelebt“. Wer hat da über seine Verhältnisse gelebt, wer gibt das Maß dafür vor? Die Kanzlerin sagt es nicht, aber: „Nur wenn wir diese Ursachen benennen, können wir die Welt aus dieser Krise führen“. Damit hätte sie Recht, nur benennt sie diese Ursachen nicht, statt dessen bekommen „klare Grundsätze“ geboten, das, wie meistens aus Politikermund, nicht ernst gemeinte Blabla wie: „Der Wettbewerb braucht Augenmaß und soziale Verantwortung. Diese Prinzipien müssen weltweit beachtet werden“.
„Finanzaufsicht nach Augenmaß“, davon war schon im Koalitionsvertrag von 2005, die Rede, als man in Deutschland auf Befehl von Oben den „Rheinischen Kapitalismus“ (die „Soziale Marktwirtschaft“) beseitigte und neoliberal „den Kapitalfluß möglichst frei und unkontrolliert fließen lassen“ wollte. Dabei hätte das Beispiel Japan zeigen können, wohin so ein Fluß treibt. Dort hatte man schon Jahrzehnte vorher auf US-Befehl das „Soziale“ aus dem zuvor so erfolgreichen japanischen Weg gestrichen und damit den Niedergang der japanischen Wirtschaft mit Hilfe des Finanz-Kasinos eingeleitet: Die Zahlen auf den Geldkonten schossen in die Höhe, der Lebensstandard von 80% der Bevölkerung wurde abgesenkt, wobei sich konsequenterweise schließlich in den 1990er Jahren sogar die japanischen Verbraucherpreise noch gefallen waren. Doch die Bundesregierung folgte in westlichem Gehorsam den Weisungen und pumpte durch ihre Einkommens- und Steuerpolitik immer mehr Geld aus der angeblich umweltfeindlich produzierenden Wirtschaft in das umweltfreundliche Finanzmarkt-Kasino ab. Sie förderte den Handel mit Verbriefungsprodukten und gründete dafür sogar noch eine eigene Propagandaorganisation, die True Sale International GmbH (TSI) [der Name lautet wirklich „true sale“ und ist kein Witz, eher eine „Verar…“]. Durch die undurchsichtige Verbriefung zweifelhafter „Wertpapiere“, das heißt durch die Organisation des betrügerischen Mehrfachverkaufes der gleichen zweifelhaften „Werte“ in immer neuen Formen ließen sich erstaunliche Renditen versprechen und vorübergehend sogar auswerfen. Ackermann von der nicht mehr sehr Deutschen Bank versprach sich und anderen 25% Rendite. Solche Renditen lassen sich in der Güterproduktion nicht erzielen, sie waren auch nur das Lockmittel, um die angeblich umweltfeindlich produzierende Wirtschaft zu Gunsten der umweltfreundlich spekulierenden finanziell auszutrocknen.
Hinter den finanzpolitischen Machenschaften steckte Professor Axel Webers Whiz-Kid, Jörg Asmussen (SPD). Dieses erwies sich dankbar und verhalf, nach dem es selbst aufgestiegen war seinem Professor auf den Posten eines „Wirtschaftsweisen“ und dann des Bundesbankpräsidenten. Asmussen begann unter Rechtsanwalt Waigel (CDU) seinen Karrierestart im Finanzministerium, Gymnasiallehrer Eichel (SPD) ließ ihn rasch aufsteigen, nur Lafontaine und Heiner Flassbeck bremsten etwas. Doch mit Rot-Grün machten ihn 2003 mit 37 Jahren zum jüngsten Ministerialdirigenten der Republik und Schwarz-Rot zum jüngsten Staatssekretär. In demokratischer Gewaltenteilung sorgte Asmussen im Finanzministerium für Regelungen, kontrollierte ihren Effekt in der (Bundesfinanzaufsicht) BaFin und handelte danach im Aufsichtsrat der Hermes Kreditversicherung, der Deutschen Postbank und der IKB (wo er vor allem in der IKB nach diesen Regeln Milliarden Verluste einfuhr). Er hatte auch die True Sale initiiert, in deren Gesellschafterbeirat er noch sitzt. Mit der Krise endete die Karriere nicht. Jörg Asmussen wurde neben fünf anderen in die Expertengruppe „Neue Finanzmarktarchitektur“ berufen, um Vorschläge für die neue Finanzmarktregelung zu entwerfen. „Angriffe der Opposition gegen Asmussen sind haltlos“, meinte Ministeriumssprecher Torsten Albig, denn „Seine Einschätzung zur Bedeutung von Verbriefungsprodukten entspricht der schon im Koalitionsvertrag niedergelegten Position der Bundesregierung“. Die von ihm propagierten Asset Backed Securities und der möglichst wenig kontrollierte Handel mit diesen war eine der Hauptursachen der Finanzkrise 2008.
Am 20.10.2008 nahm die (zur Schaffung hochdotierte Experten-Arbeitsplätze) neugegründete Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FSMA) mit einem Startkapital von 100 Mrd. Euro ihre Arbeit auf. Sie will nicht die deutsche Wirtschaft, sondern nur deren Finanzsektor vor dem herbeispekulierten Zusammenbruch retten. Dafür darf sie Kreditbürgschaften in Höhe von bis zu 400 Mrd. Euro für deutsche Kreditinstitute übernehmen. Für die vorsichtig veranschlagte Ausfallquote von 5% stehen der FSMA 20 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung. Nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz darf sie den Verspekulierern ferner 80 Mrd. Euro Stammaktien, stimmrechtslose Vorzugsaktien oder Genußscheine abnehmen oder ihnen sogenannte Problempapiere abkaufen. Dies sind im Zusammenhang mit der Kreditkrise faul gewordene Risiko-Positionen („Toxic Waste“ im Analysten-Jargon) wie Zertifikate und durch Forderungen besicherte Geldmarktpapiere (ABCP). Betrieben wird die FSMA von ihrem Lenkungsausschuß aus Vertretern der Ministerien, des Bundeskanzleramtes, der Länder und der Bundesbank. Die Arbeit der FSMA wird bewußt undurchsichtig gehalten. Es gibt zwar einen neunköpfigen Kontrollausschuß, in dem Mitgliedern des Finanzausschusses des Bundestags sitzen, doch wem ist der Rechenschaft schuldig? Der Steuerzahler haftet mit riesigen Summen für die Finanzbranche, erfährt aber nicht, was mit dem Geld geschieht.
Es geht also weiter in Berlin, als hätte man nichts verbockt, und die Kanzlerin predigt: „Gemessen an den Sorgen der Opfer von Kriegen und Gewalt muten unsere Probleme in Deutschland vergleichsweise gering an. Das alles sind gute Gründe für Zuversicht. Das ist der Geist, mit dem Deutschland das Jahr 2009 meistern wird. Meine Devise ist: Wir wollen die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise nicht einfach überstehen. Wir wollen stärker aus ihr herausgehen, als wir hineingekommen sind. Wir haben das zerstörte Deutschland nach dem Krieg aufgebaut“. Das geschah allerdings mit einer gänzlich anderen Finanzpolitik. Doch wer kennt noch Fritz Schäffer mit seinem Juliustrum, den er in diesen „Notzeiten“ angespart hatte und auch konnte? Schließlich mündete die Neujahrsbotschaft von „Fraulein“ Merkel (so hätte man sie zu Schäffers Zeiten wohl genannt) in so nette Sprüche wie: „Wenn Sie sich auch im kommenden Jahr, jeder an seiner Stelle für etwas einsetzt, das für ihn in diesem Land besonders liebens- oder lebenswert ist, dann wird es uns allen noch besser gehen“. Jeder muß nur wollen. Also wollen Sie mal Herr oder Frau Arbeitsloser, Harz-IV-Empfänger, Leiharbeiter, Kurzarbeiter: Kein Job, kein Moos, keine zahlungsfähige Nachfrage, keine Produktion, keine Investition noch weniger Job, noch weniger…
Die Industrieproduktion fällt immer schneller. Der Einkaufsmanager-Index (EMI), eine Umfrage unter etwa 500 Firmen, fiel im Dezember 2008 tiefer als je zuvor seit April 1996, als man vergleichbare Umfragen aus den USA nachzuäffen begann. Aus ihm wird deutlich, daß die Industrie insgesamt, ohne Ausnahme, ihre Produktion um etwa 10 % zurückfährt. Natürlich kann es auch mehr sein, weil Manager aus „psychologischen“ Gründen vorsichtig antworten. Nach anderen Aussagen kämpfen die Firmen mit enormen Überkapazitätsproblemen. (Über)Kapazitäten bemessen sich an der zu erwartenden Zahlungsfähigkeit potentieller Kunden und deren Kunden usw., also der Gesellschaft. Gegenüber 2006 sank der Einzelhandelsumsatz in Deutschland nach amtlichen Angaben um 5% und die Zulassung von Autos um 14%. Was nicht verkauft wurde, liegt auf Halde. Entsprechend rechnet der „Wirtschaftsweise“ Wolfgang Wiegard (Welt online vom 2. Januar) 2009 mit einer deutlichen Verschlechterung am Arbeitsmarkt. Auch hier gibt es offensichtlich „Überkapazitäten“: Keine Gewinnerwartung, keine Investition, kein Job. Wirtschafts-Experten (und was man davon halten soll, zeigen die letzten Jahre) schätzen den Abschwung im laufenden Jahr zwischen zwei und 2,7 Prozent und selbst die alles schönredende Politik rechnet mit 700.000 Arbeitslosen mehr, meinte Wiegard. Die Firma Creditreform rechnet in einer Prognose vom gleichen Tag mit 35.000 Firmenpleiten im Jahr 2009 in Deutschland, also 17 Prozent mehr als 2008. Warum das?
Die bessergestellte Gesellschaft, etwa 20% der oberen Einkommensklassen und einige Cleverle, die es ihnen gleich tun wollten, haben mit ihrem Geld der Rendite wegen im Finanzmarktkasino gespielt und, wie sich nun herausstellt, verspielt. War das verwunderlich? Keineswegs! Es war systemimmanent notwendig. Sogenannte Wirtschafts-Experten hatten in den letzten Jahrzehnten vor lauter Rentabilitätsberechnungen und Computerprogrammen zur Renditesteigerung eine ganz primitive Wahrheit vergessen. Geldgewinne müssen, wenn sie werthaltig sein sollen, „realisiert“ werden. Geld an sich ist wertlos (und in unserem Geldsystem von bevorrechtigten Privatbanken fast in beliebiger Menge zu drucken), es ist ein Berechtigungsschein auf die gesellschaftliche Produktion/Leistung. Erst durch den Geldgewinn angeregte neue Leistungen „realisieren“ diese Gewinne. Ein Schnitzel oder eine Drehbank, die nicht produziert wurden, ist nichts wert. Angeblich kann Geld „arbeiten“, aber es erbringt unter sich, also im Finanzmarkt-Kasino keine Leistung. Denn werden Geldgewinne in „Wertpapiere“ umgesetzt und damit auf den Finanzmärkten „gehandelt“, wird dieses Geld damit schon „wertlos“, das heißt es verschwindet im Wert der Papiere und taucht allenfalls im Preisanstieg der sonst schon vorhandenen Werte auf.
Wenn Unternehmen wegen der rückläufigen Nachfrage gezwungen sind, nur um das Geld für die nächste Rate (der Bankzinsen und Gehälter) zusammenzubringen, die Preise ihrer auf Lager produzierten Waren zu senken, dann wird genau der Effekt des Geldes, das nicht durch Werte, das heißt neue Leistungen gedeckt war, aus dem System genommen. Doch warum fließt das im Finanzkasino spielende Geld nicht auf die Märkte zurück, um dort Leistungen zu veranlassen? Es steckt in „Wertpapieren“ und die sind so viel wert, wie die zahlungsfähigen Nachfragen nach ihnen. Können ihre Inhaber sie nicht verkaufen, löst sich ihr Wert in das auf, was er ist, in Nichts – das ist dann die Finanzkrise. Papiere werden unverkäuflich, wenn ihre „Rendite“ unglaubwürdig wird und schlagen dementsprechend in Verluste um. Diesen Vorgang wollen Rettungsgelder der Regierung aufhalten. Haben ihre Inhaber wie viele Clervele „aussichtsreiche“ Wertpapiere auf Pump gekauft, müssen sie jetzt „Sicherheiten“ nachlegen. Aus Wertpapieren wurden Risikopapiere und auf die leiht niemand. Ihre Inhaber gehen Pleite und erkennen nun endlich, daß der Wert ihrer Finanzschnäppchen sich nur auf deren Papierwert und die Phantasie wirtschaftspsychologisch manipulierter Käufer gründet.
Wenn die Bundesregierung im Gefolge der US-Regierung hier irgend etwas retten will, dann ist es die Illusion, den Glauben an Wertpapiere hinter denen keine Leistungen (in Form von sinnvollen Investitionen oder Gütern mit zahlungsfähiger Nachfrage) stehen. Dafür macht sie Milliarden Euro an potentiellen Steuereinnahmen locker, aber nicht für Investitionen zum Beispiel in neue inner- und außerstädtische Verkehrssysteme, zukunftsfähige witterungsunabhängige Energiesysteme oder in die Existenzvorsorge vieler Bürger, die sich mehr oder weniger notgedrungen haben überreden lassen, ihre Altersvorsorge durch den Kauf von Finanzschnäppchen statt der Gestaltung der Verbrauchsgüterproduktion auf neuestem technischen Niveau zu sichern.
Die Krise war systemnotwendig. Ihr eigentlicher Grund liegt, wie schon öfters hier ausgeführt, im Geldsystem, an dem kein „Anerkannter“ rühren darf, ohne sein „Anerkanntsein“ zu verspielen. Sie sollten sich damit näher befassen ebenso wie mit dem angeblichen Klimaschutz. Denn beides sind nur Mittel, Sie zu erst in die Armut zu treiben und dann als unverwertbar aus dem Verkehr zu ziehen.