Zusammenarbeit oder Konkurrenz?

Größere Wirtschaftskrisen hatten in der Vergangenheit den Ausbruch von Kriegen gefördert, oder waren ihnen wenigstens meist vorausgegangen. Dabei ist nicht klar, ob der Krieg der Krise folgte, um von der Inkompetenz der Verantwortlichen abzulenken und die Wut der Geschädigten nach außen zu lenken, oder ob die Krise von den Verantwortlichen inszeniert war, um mit dem Krieg ihre machtpolitischen Vorstellungen voranzubringen. Wenn ersteres auch die verbreitete Meinung ist, scheint mir letzteres bei näherem Hinsehen das Wahrscheinlicher gewesen zu sein.

Vor dem Hintergrund beruhigt, wenn der russischen Außenminister Sergej Lawrow nach Gesprächen mit seiner US-Amtskollegin am 9. April in einem Interview mit dem TV-Sender „Russia Today“ und den russischen Auslandssender „Stimme Rußlands“ sagte: „Ich sehe keine Gründe dafür, daß die gegenwärtige Krise auf einen Krieg hinausläuft. Nach der Großen Depression nahm das Streben nach einer wirtschaftlichen und Finanz-Kommunikation ab. Das führte letztendlich in den zweiten Weltkrieg. Heute sehe ich aber keine Voraussetzung dafür, daß sich jenes Szenario wiederholt“. Er spielte damit wohl auf die Absprachen der G20 über die Finanzkrise in London Anfang April an und reagierte auf eine Meldung, wonach über 50% der erwachsenen Russen fürchten, vom Ausland militärisch angegriffen zu werden, und dafür Gründe angeben können.

Rußland hatte im Vorfeld des Londoner G20-Gipfels den IWF aufgefordert, Möglichkeiten für die Einführung einer Reservewährung zu erwägen, die nicht mehr, wie zur Zeit, die Volkswirtschaft nur ein Landes einseitig bevorzugt. Der chinesische Zentralbankchef Zhou Xiaochuan hatte am 24. März den russischen Vorschlag, den US-Dollar durch eine neue internationalisierte Leitwährung zu ersetzen unterstützt, und auf der öffentlichen Internetseite der Zentralbank geschrieben: „Im internationalen Finanzsystem muß eine supranationale Reservewährung etabliert werden, die nicht an einzelne Staaten gebunden ist“, und „Sonderziehungsrechte haben das Potential einer supranationalen Reservewährung“.

Tags darauf sagte US-Präsident Barack Obama auf einer großen Pressekonferenz im Weißen Haus: „Der Dollar ist heute deshalb so stark, weil Investoren die USA als die stärkste Wirtschaft der Welt und das amerikanische politische System als das stabilste weltweit betrachten“. Daher sehe er keine Notwendigkeit für eine neue Weltwährung. Damit waren Rußland und China abgefertigt. Zwar wirkt der US-Dollar noch „fest“ und haben sich die US-Aktienmärkte erholt – offenbar, weil sich Leerverkäufer, die auf weiter sinkende Aktien spekuliert hatten, rechtzeitig eindecken mußten. Und weil, unter anderem, zu eben diesem Zweck die Dollarschleuse geöffnet wurde. Doch das betrifft nur das Finanz-Kasino und nicht die Realwirtschaft.

Die produzierende Wirtschaft der USA sieht nämlich weiterhin miserabel aus. „Private Arbeitgeber strichen“ nach einem Bericht der Automatic Data Processing Inc. vom 8. April „im März 742.000 Jobs“. Die Regierung spricht von 663.000 Jobs. Im Februar waren nach offiziellen Angaben 651.000 Arbeitsplätze verschwunden, im Januar 655.000, doch mußte die Zahl inzwischen auf 741.000 korrigiert werden. Bei weiter fallenden Hauspreisen, rasch wachsenden Zeltstätten für Leute, die ihr Haus verloren hatten, deutet nichts daraufhin, daß die reale Wirtschaft des Landes bald aus dem Tief aufsteigt.

Daran änderte der Londoner Gipfel nichts. Um Rußland und China abzuspeisen, wurden die Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds etwas, um 250 Mrd. US-Dollar, erweitert. Eine neue, den Dollar ablösende Weltreservewährung war damit nicht geschaffen. Auch die weiteren 500 Mrd. US$ für den IWF waren reine Augenwischerei. 250 Mrd. US-Dollar waren schon vor dem Gipfel überwiesen worden, und Japan hatte im November 2008 weitere 100 Mrd., die EU weitere 80 Mrd. US$ zugesagt. Wer für die restlichen 70 Mrd. aufkommen soll, wurde in London nicht einmal festgelegt. Auch die 100 Mrd. US$ für die Entwicklungsbanken waren bereits – bis auf einen Rest, den sie sich auf den Finanzmärkten beschaffen sollen – vorher vereinbart. Der zur Rettung des internationalen Finanzsystems angekündigte Gipfel war nur Schaumschlägerei.

Und die strengere Kontrollen der Finanzmärkte und Finanzprodukte, um das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen? Tatsächlich wurden die Bilanzregeln aber aufgeweicht. Laut Manager Magazin vom 2. März „verabschieden sich die USA von der Bilanzierung zum Marktwert. Banken dürfen künftig illiquide Wertpapiere nach eigenem Gutdünken in ihren Büchern bewerten. Das soll die Abwärtsspirale aus Abschreibungen, Notverkäufen und Preisverfall stoppen“. Ob das den Vertrauensschwund in die Papiere bremsen wird? Das zuständige Financial Accounting Standards Board (FASB) hatte dem Drängen der Banken und Politiker nachgegeben. In Europa gelten ebenfalls flexiblere Regeln, auch sie sollen weiter gelockert werden. So sehen Merkels „strengere Kontrollen“ real aus.

Der größte Witz war der Beschluß gegen Steuerparadiese. Auf der schwarzen Listen der OECD werden Costa Rica, die Philippinen, Malaysia, das sich 1997 mit Devisenkontrollen gegen die von der Finanzmafia inszenierte Südostasienkrise gewehrt hatte, und Uruguay angeprangert. Die eigentlichen Steueroasen, die Cayman Islands oder die Kanalinseln Jersey, Isle of Man und Guernsey, fehlen ganz. Sie befinden sich auf britischem Hoheitsgebiet. Allein Jersey beherbergt 33.395 Briefkastenfirmen, die Vermögenswerte von 206 Mrd. Pfund verwalten. Schon im Wahlkampf hatte US-Präsident Barack Obama geschimpft: „Es gibt ein Gebäude auf den Cayman Islands, in dem vermutlich 12.000 Unternehmen mit Sitz in den USA untergebracht sind. Das ist entweder das größte Gebäude der Welt oder der größte Steuerbetrug der Welt…“. Er versprach per Gesetz pro Jahr etwa 100 Mrd. US-Dollar Steuern an der Flucht zu hindern. „Was für ein Heuchler. Die USA selbst sind die größte Steueroase der Welt“, meint Dan Mitchell vom Cato-Institut in Washington (Quelle). Staaten wie Delaware, Wyoming und Nevada räumten Unternehmen weitgehende Anonymität ein. Man kann dort per Telefon Kundenberater beauftragen, in 48 Stunden eine Firma zu gründen, um Geld vor Steuerbehörden zu verstecken. Viele der jährlich über 100.000 neu gegründeten Unternehmen in Delaware sind Briefkastenfirmen. Vom internationalen Finanzgipfel bleibt nur die heuchlerische Neid-Kampagne gegen die überhöhten „Boni“ derer, die für die Finanzmafia die Schmutzarbeit ausführen, ihre angestellten „Top-Manager“.

Worauf beruht dann Lawrows Entwarnung? US-Vizepräsident Joe Biden hatte auf dem Wehrpolitischen Treffen in München Anfang Februar gefordert, im Umgang mit Rußland den „Reset-Button“ zu drücken. Die Aussage ist zweideutig. Will er von der neokonservativen Scharfmacherei unter Bush II abrücken, oder will er an die für Rußland zerstörerische Wirtschaftspolitik nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion anknüpfen? Was will er wirklich?

Neun Tage nach Bidens Rede begann die NATO ihre zehntägige Übung „Cold Response 2009“, im Norden, direkt vor Rußlands Küste. Die Zeitung „Barents Observer“ schrieb zur Manöver-Lage: „Ein Konflikt ergab sich als Nordland angriff und Mittelland besetzte. Nach einem Waffenstillstand zog Nordland seine Truppen zurück. Es entstand ein Macht-Vakuum, das die NATO auszufüllen hatte“. Kurz davor fand die NATO Militärübung „Baltic Host 2009“ statt. Nach RIA Novosti wurden „eine Reihe von Szenarien [durchgespielt], die den Einmarsch und den Einsatz von NATO Truppen in einem Mitgliedsland“ vorsahen.

Vor dem Manöver hatte sich der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton getroffen und darauf bestanden, daß die neuen US Patriot PAC-3 Raketen in Polen stationiert werden. Und davor hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates mit seinem polnischen Kollegen Bogdan Klich einen Vertrag über den Ausbau der polnischen Spezialtruppen und ihre Eingliederung in die Kommandostruktur der NATO unterzeichnet. Zur gleichen Zeit kündigte die NATO an, sie wolle Truppen aus der NATO Response Force ständig in Osteuropa stationiert halten.

Der Oberbefehlshaber der Ukrainischen Flotte, Ihor Tenyukh, kündigte kurz nach der Unterzeichnung der Strategic Partnerschaft mit den USA an, daß das jährliche Flottenmanöver Sea Breeze mit der NATO vor der Krim „nach Anzahl der beteiligten Truppen und ihrer Ausrüstung größer sein werde als zuvor“. Und NATO Generalskretär Jaap de Hoop Scheffer verkündigte medienwirksam: „Wir sind entschlossen die Strategische Partnerschaft (diesmal mit Georgien) weiter auszubauen“. Ab 3. Mai ist in Georgien das einmonatige NATO Manöver Cooperative Longbow-Cooperative Lancer vorgesehen. Dazu schrieb die Georgian Times: „Georgiens Teilnahme an der NATO Übung wird als erster ernsthaft neuer Schritt der NATO nach dem Konflikt im August und der Gründung einer NATO-Georgischen Militärkommission im September angesehen“. Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Gates „Die andauernde Sicherheitsbeziehung zu Georgien sowohl seitens des Pentagons wie durch die NATO-Georgien Kommission“ hervorgehoben.

Ebenfalls im Schwarzen Meer, direkt vor der Küste Rußlands fand das 14-tägige Manöver „Thracian Spring 2009“ statt. Die US-Luftwaffe übte zusammen mit der Bulgarischen vom neuen US-Militärstützpunkt Bezmer in Bulgarien aus. Zwischen Juli und Oktober ist eine Reihe von Trainingsmanöver des US-Militärs mit Bulgarischen und Rumänischen Truppen geplant. Während der US-Central Command Chef David Petraeus ankündigte, daß nun Azerbaijan als Transitstrecke für die Versorgung der NATO-Truppen in Afghanistan benutzt werde, dachte die US Missile Defense Agency laut darüber nach, am jetzigen russischen Beobachtungsposten Garbala in Azerbaijan US- Abfangraketen aufzustellen. Obamas Berater Zbigniew Brzezinski ließ dazu verlauten: „Wir sollten mit Georgia, Ukraine und Azerbaijan zusammenarbeiten, um sie nicht im US-Russischen Dialog zu opfern […] wir sollten alles tun, um diese Länder zu verteidigen“. So wie im August 2008. Es gibt weitere Mannöver und gerade läuft wieder eine der „bunten Revolutionen“, diesmal in Moldawien.

Da verwundert Lawrows Optimismus. Oder vertraut er auf den angekündigten Ausbau der strategischen U-Boot-Flotte, die erfolgreichen Tests der brandneuen Interkontinentalrakete und die neu entwickelte 5. Flugzeuggeneration. Und China kaufte gerade für 16 Mrd. US-Dollar Waffen in Rußland.

Vorsicht »Reformen«!

Der größte US-Versicherungskonzern und Finanzdienstleister, die American International Group (AIG) mit etwa 116.000 Mitarbeitern hatte im Jahre 2008 ganze 100 Milliarden US-Dollar verspielt und von der US-Regierung zum Überleben 150 Milliarden Dollar Kredithilfe auf Basis der Steuereinnahmen bekommen. US-Präsident Obama und ein Großteil der finanzgebeutelten US-Bürger waren sehr verärgert zu erfahren, daß AIG trotz Stütze noch etwa 450 Millionen Dollar an Boni (165 Millionen Dollar mehr als vor einem Jahr) an die Top-Manager für ihre Verluste in 2008 ausbezahlt habe. Ähnlich wie in Deutschland regen sich dort „Politiker“ über solche Zahlungen künstlich auf.

Obama protzte am 16. März, er habe Finanzminister Timothy Geithner angewiesen, die (schon erfolgten) Zahlungen an AIG zu blockieren. „Es geht hier nicht nur um Dollar und Cent, es geht um fundamentale Werte“, meinte er mit Blick auf die wachsende Kritik an den Bonuszahlungen für jeden nachvollziehbar, und weiter: AIG „ist ein Unternehmen, das sich wegen Draufgängertum und Gier in finanzieller Notlage befindet“. Auch US-Notenbankchef Ben Bernanke pflichtete bei: „Die Zeit dieses Luxuslebens ist jetzt vorbei“. Angesichts der Finanzkrise und der staatlichen Rettungsgelder sollten die Banker „Demut“ vorleben (Quelle).

Der Hauptvorwurf richtet sich aber dagegen, daß AIG (aufgrund zuvor eingegangener Verpflichtungen) rund 120 Milliarden Dollar an Vertragspartner in den USA, aber vor allem weltweit gezahlt habe. Die Deutsche Bank und die französische Societé Generale bekamen jeweils rund zwölf Milliarden Dollar (fast 13 Milliarden Dollar gingen an die Investmentbank Goldman Sachs). Obamas Töne kamen beim Wähler gut an. Er setzte daher noch die Drohung drauf, er werde, falls AIG nicht die Namen der Nutznießer bekannt mache, den Konzern verklagen. Dafür gab es wieder einmal Ovationen. AIG hat nun einen der Zahlungsempfänger genannt: Senator Barack Obama bekam für 2008 selbst einen Bonus in Höhe von 101.332 US-Dollar von der AIG in Form von Wahlkampfspenden. So viel zu den „fundamentalen Werten“ der politischen Klasse im Westen. Insgesamt hatte die AIG 2008 nach opensecrets.org 9,7 Mio. US-Dollar für politische Einflußnahme (durchschnittlich 53.000 pro Abgeordneten) ausgegeben (2007 waren es allerdings noch über 14 Mio. US$ gewesen). Zu Bernankes „angemessener Demut“: man einigte sich mit der AIG darauf, daß die bemitleidenswerten Empfänger der Bonuszahlungen 50% davon zurückbezahlen – und damit „Schwamm drüber“ (ob auch Obama zahlt, ist höchst fraglich). Haben Sie sich einmal überlegt, wie es zu den Riesengehältern kam, und wer dafür verantwortlich ist? Die Eigentümer müssen den Gehältern der Vorstände und den Tantiemen der Aufsichtsräte (die keine Aufsicht führen) zustimmen. Wer sind denn, von etwas Streubesitz abgesehen, die Eigentümer? Eben! Auch hier herrscht das westlich-imperiale Prinzip des Mitverdienen-Lassens am Ausverkauf nationaler Volkswirtschaften. Lassen Sie sich nicht von Theaterdonner ent-rüsten.

Die Schulden der US- Regierung haben inzwischen mit mehr als 11 Billionen US-Dollar den höchsten Stand in ihrer Geschichte erreicht. Am 19. März las man in der New York Times, daß es damit noch nicht genug sei. Die private Zentralbank der USA, die FED, will eine weitere Billion Dollar drucken, um damit (gegen Verzinsung) Regierungsanleihen zu kaufen. Nachdem man sich 2008 schon 1,8 Billionen US$ aus dem Nichts gedruckt und für den Werterhalt allerlei kurzfristiger Papiere auf den Markt geworfen hatte, sollen es 2009 insgesamt drei Billionen sein, „um die wirtschaftliche Aktivität anzuregen“, das heißt, um den Dow Jones aus dem Tief zu holen.

Der Dow legte bei Bekanntgabe auch gleich zu, während der Dollar weiter absackte. Der produzierenden Wirtschaft bringt das gar nichts, da der Kleine Mann mangels Einkommen nicht einkaufen kann und der „gerettete“ oder beschenkte Große Mann, der schon alles hat, sein Geld zum fiktiven Werterhalt für Wertpapiere ausgibt. Deswegen glaubt auch Jan Hatzius von Goldman Sachs (auch nach NYT), daß selbst negative Zinsen auf Sparguthaben und Bankeinlagen (im Sinne der oberschlauen Silvio Gesell Anhänger) nichts bringen, denn Geld ist genug da, es ließe sich nur nicht einsetzen, niemand leihe sich etwas aus. Warum wohl? Das nun sagte Hatzius nicht, nämlich, weil alle die Geld zum Einkaufen gebrauchen könnten, schon bis zur Hutschnur verschuldet sind, er meinte aber: Die „Kontraktion“ der Wirtschaft ginge weiter und die Arbeitslosigkeit steige auf 9%.

Der April naht, der die „Neuordnung der Weltfinanzen“ bringen soll. Daher unterbreitete Moskau am 17. März Vorschläge zum bevorstehenden G20-Gipfel in London. Darin macht sich Rußland als Sprecher der Schwellenländer beim Gerangel um die künftige Weltwirtschafts-Ordnung. Der Verfasser des Dokuments listete alle Nöten und Hoffnungen der Dritten Welt auf, beschuldigt die führenden Industrienationen, die aktuellen Wirrungen verursacht zu haben und schlägt deshalb vor, auf das monopolare Weltfinanzsystem zu verzichten und ein neues System zu schaffen, das auf der Zusammenarbeit der weltweit wichtigsten regionalen Finanzzentren und ihren Währungen fußen soll. Daraus ist zu ersehen, daß es Rußland weniger um eine Neuordnung als um seinen Aufnahmeschein in die globale Finanz-Mafia geht. Natürlich will man auch, wie es alle angeblich vorgeben, die Volatilität der Währungs- und Rohrstoffpreise ein wenig senken. Doch die von Rußland angestrebte Schaffung mehrerer globaler Finanzzentren ist ein Witz. Finanzmärkte entstehen dort, wo die internationale Finanzmafia agieren will und nicht dort, wo sich ein Polit-Präsident hinstellt und sagt: „Hier ist ab jetzt ein Finanzzentrum“.

In Moskaus Vorschlägen fehlte der Vorschlang von Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew vom 11. März auf dem Wirtschaftsforum in Astana (siehe letzter Spatz). Er hatte die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG) aufgefordert, im Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten statt US-Dollar eine gemeinsame, bargeldlose Verrechnungseinheit – vergleichbar dem ECU vor Einführung des Euro – zu verwenden. Der Kurs der neuen Währung, die nach Nasarbajews Worten „Euras“ oder „Eurasia“ heißen könnte, dürfe nicht mehr von den Schwankungen der globalen Währungen abhängen.

Der kasachische Außenminister Marat Taschin ruderte nun laut RIA Novosti vom 17. März unauffällig zurück: Die Initiative ziele auf eine Stabilisierung des Weltfinanz- und Währungssystems und fordere noch nicht die Gründung einer gemeinsamen Regionalwährung. „Diese Idee hat einen strategischen Charakter und muß noch im Rahmen der EAWG besprochen werden“ meinte sein russischer Kollege Sergej Lawrow am 14. März in Moskau nach einem Treffen mit Taschin: „Die Idee wird natürlich weitergesponnen“. Man sei sich darin einig, daß keine Einzelwährung unter den jetzigen Bedingungen in der Lage sei, als allgemeine Stütze zu dienen. „Deshalb müssen die wachsende Bedeutung anderer Währungen wie auch die Potenzen der Integrationsvereinigungen berücksichtigt werden“. Ist es wegen solcher „Potenzen“, daß Rußland seinen längst überfälligen Vertrag mit dem Iran über die Lieferung von Luftverteidigungssystemen nicht erfüllt, aber andererseits in der letzten Zeit enorme Verteidigungsanstrengungen im Bereich Interkontinentalraketen und jüngst auch bei der U-Boot-Flotte angekündigt hat? Der 2001 gegründeten Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG) gehören Rußland, Weißrußland, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan an. Usbekistan kündigte seine Mitgliedschaft aufgrund westlicher „Potenzen“ Ende 2008.

Weiß Moskau nicht, wo es steht, oder laviert es geschickt im Trüben? Jedenfalls nimmt es seinen eigenen Vorstoß in Richtung Londoner Finanzgipfel nicht so ernst und plant vor der Londoner eine internationale Konferenz in Moskau, um eine „neue globale Finanzordnung“ auszuhecken. Es sieht wohl ein, daß es zu wenig ist, den „finanziellen Monopolismus der USA“ eindämmen zu wollen. Die Finanzmafia bedient sich zwar der US-Army und US-Regierung, ist aber keine us-amerikanische Angelegenheit. Sie ist die globale Gemeinschaft der Mitverdiener von Gnaden der Hochfinanz. Und die Hochfinanz? Das sind neben weniger bekannten extrem reichen Uralt-Familien, die Eigentümer der Federal Reserve Bank, etwa die Rothschild Banken in Berlin und London, Lazard Frer in Paris, Israel Moses Seif Banks of Italy, Warburg Bank Hamburg und Amsterdam, Chase Manhatten, Kuhn-Loeb und Goldman Sachs – also wenige Privatmänner mit der Lizenz zur Geldschöpfung ex nihilo. Sie stehen weit über den Feudal- oder absolutistischen Adeligen, gegen die sie vor gut 200Jahren die glorreiche demokratische Revolution in Auftrag gegeben hatten.

Mit dem Interesse am „Schwundgeld“ schwindet auch seine Macht. China hat dem russischen Öl-Konzern Rosneft 15 Mrd. Dollar, und dem Rohrnetzbetreiber Transneft 10 Mrd. Dollar gepumpt. Damit hätte sich das Land gut in die westliche Hochfinanz einkaufen können. Doch was hätte das dem Land außer Schwierigkeiten gebracht? Auch sonst schwimmen den USA im Osten die Fälle davon. Tschechiens Regierung will das US-Raketenschild nicht mehr haben und fordert vorsichtig Aufschub. Moldawien und Transnistrien einigten sich nach dem blutigen, prowestlichen Bürgerkrieg unter Anleitung Moskaus überraschend wieder. Die Russen kommen mit den Türken, dem alten NATO Vorposten, der ihnen die Turkvölker Zentralasiens abspenstig machen sollte, ins Geschäft. In der Ukraine verlieren die orangenen Assets an Einfluß. Neben anderen Oppositionellen forderte Vizechefin der Partei der Regionen, Anna German, kürzlich die Amtsenthebung Präsident Viktor Juschtschenkos und fordert die Regierungschefin Julia Timoschenko etwas freundlicher zum Rücktritt auf. In Georgien zittern die Straßen von den Schlachtrufen gegen den US-Wahlenkopierer und Kriegstreiber Sakaaschwili.

Während Rot-Grün – offensichtlich auf Kommando – deutsche Arbeiter für zu schlampig hält, um Kernkraftwerke ordentlich bauen und betreiben zu können (warum sonst ihr „No!“), hat die russische Rosatom mit Nigerias Atomagentur einen Vertrag über ein Atomforschungsprogramm und den Bau eines Forschungsreaktors und eines Kernkraftwerks geschlossen. Ähnliche Zusammenarbeit wurde mit Indien, Venezuela, mit dem Iran trotz des US-Einspruchs und nach 10-jähriger Unterbrechung wieder mit Nordkorea angebahnt. Und am 19. März glaubte die Regierung in Moskau die Nato davor warnen zu müssen, weltweite Militäreinsätze ohne Zustimmung der Vereinten Nationen zu planen. „Im Vorfeld des Nato-Gipfels in Straßburg verfolgen wir die Diskussionen in der Allianz aufmerksam. Die Appelle, das Potential der Nato auch ohne UN-Mandat aktiver einzusetzen, stehen zur Debatte“, sagte Andrej Nesterenko, Sprecher des russischen Außenministeriums, am 19.3. vor Journalisten. Erst vor kurzem hatte der russische NATO-Botschafter Dimitri Rogosin der Allianz vorgeworfen mit der UNO „konkurrieren“ zu wollen. „Heute bekommen wir weitere Hinweise dafür, daß die Nato ihre Rolle globalisieren will.“, sagte Rogosin im Radiosender RSN am gleichen Tag. Die Nato wolle offenbar eine „Demokratien-Liga“ gründen, um den UN-Sicherheitsrat dadurch in gewissem Maße zu ersetzen. Dieser Versuch bedeute eine „ernsthafte Herausforderung an die meisten Länder der Welt“, betonte Rogosin.

Interessant, daß Global Europe Anticipation Bulletin in der GEAB Nr. 33N auch wachsende Spannungen in den transatlantischen Beziehungen vor dem G20 Gipfel erkennt und Versuche der Wallstreet und der London City zur weiteren Destabilisierung des Euro und des europäischen Bankensystems. Quo vadis pecunia? (statt „Geld“ kann man ebenso „Stück Rindvieh“ übersetzen). Leute, es wird zunehmend spannend in der Welt. Ach so, fast hätte ich’s vergessen: Was wird aus Ihrem Geld? Sie können es sich an den Hut stecken, wenn keiner mehr etwas Vernünftiges produziert. Und wer sorgt dafür? Die Arbeitslosigkeit bricht weltweit so schnell und rasant aus, wie nie zuvor. Das ist die langfristige Wirkung des Fiat Money, des Schuld-Geldes.